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Judith Hermann
Daheim
Roman
Verändern Erinnerungen die Menschen? Oder verändern Menschen ihre Erinnerungen – so, wie sie sie gerade brauchen? Mit ebenso viel Distanz zum Heute wie zum Gestern bewegt sich eine Frau in ihrer neuen Umgebung: in ihrem winzigen, baufälligen Haus an der Sandstraße zum Deichpolder, in der Kneipe ihres Bruders, für den sie arbeitet, aber auch in den Räumen ihrer Vergangenheit. In keinster Weise sentimental, eher nüchtern ist der Tonfall, den Judith Hermann für ihre Erzählerin gewählt hat. Um so mehr berühren die Geschichten, aus denen sich dieses Leben im Roman zusammensetzt, gewöhnliche, überraschende, sehr genau beobachtete Lebensbilder.
Das Meer ist nah. Aber noch ist Januar, draußen ist es winterlich kalt, manchmal so stürmisch, dass der Wind die Haustüre aufbläst, und das mitten in der Nacht. Sie lebt allein in diesem Haus, allein mit ihren Erinnerungen. Sie erinnert sich an den Zauberer, der sie im Sommer vor 30 Jahren in einer Tankstelle angesprochen hatte: Er wollte sie für die Nummer der zersägten Jungfrau in seiner Show engagieren und mit auf eine Schiffsreise nach Singapur nehmen. Damals hatte sie in einer Zigarettenfabrik am Fließband gearbeitet, das Schiff nach Singapur war ohne sie in See gestochen, eine Entscheidung für ein anderes Leben, eine Liebe, eine Familie, dann die Tochter Ann, die schon früh auf Reisen gegangen ist. Ihrem Ehemann Otis schreibt sie seit der Trennung kurze Briefe, erzählt aus ihrem Alltag in der Kneipe ihres Bruders, von seiner jungen Freundin Nike, die den Großteil ihrer Kindheit eingesperrt in einer Kiste verbracht hat. Sie erzählt von Mimi, ihrer Nachbarin, die sie im Frühsommer mit zu ihrem Bruder Arild nimmt, der die Schweinezucht der Eltern übernommen hat, 1000 Schweine. Er hatte sich nicht wirklich dazu entschieden.
Frieden machen mit dem eigenen Leben, mit den Erinnerungen, mit den getroffenen oder nicht getroffenen Entscheidungen, mit sich selbst: der Frau, die hier erzählt, ist dies zu großen Teilen gelungen. Ängst, Sehnsüchte, Emotionen werden nur zwischen den Zeilen lesbar, sehr leise steigen sie wie eine Ahnung aus dem Erzählten auf. Unglaublich, was Judith Hermann hier mit Sprache macht.
S. Fischer
Hardcover, 192 S., ca. € 21,-
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unglaublich
feiner Roman
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