Quasi
Roman
Aus dem Spanischen von Peter Kultzen
Sie ist auf der Flucht, vor der Schule, vor ihrem Zuhause ohne den Bruder, vor sich selbst und dem, was aus ihr werden wird. Die herabhängenden Äste eines Baumes geben ihr Schutz in dem Stadtpark, in dem sie ihre Vormittage verbringt. Und dann steht plötzlich dieser alte Mann vor ihr. Sara Mesa erzählt in diesem fein gewebten, oszillierenden Roman, der in Spanien auf allen Bestsellerlisten stand, die Geschichte einer ungewöhnlichen Beziehung.
Sie ist 13, quasi 14. Quasi, so wird er sie nennen, der Alte, der jeden Tag erneut auftaucht in seinem feinen Anzug. Er bringt ein Handtuch für sie mit, ein dünnes altes, abgewetztes mit Mäandermuster. Er fragt sie vieles und erntet unbestimmte Antworten. Sie schweigen auch unter diesem Baum. Bis er zu erzählen beginnt von Nina Simone, die er verehrt, und von den Vögeln – ob sie gesehen hat, dass es im Park Wiedehopfe gibt? Er spielt mit ihr dieses Spiel, sie soll Vogelstimmen erraten. Buntspecht, Grünfink, Eisvogel. Das ist fast wie in der Schule.
Ihr bleibt nur die Flucht in die Phantasie. Sie erzählt ihm, was sie alles kann: Geige spielen, Französisch sprechen, tanzen, Rollschuh laufen. Nichts davon ist wahr. Er lügt nie, kein einziges Mal. Er hört ihr zu.
Als die Tage im Oktober kälter werden, als dem Mädchen klar wird, dass sie nicht ewig der Schule fernbeleiben kann, beginnt sie, eine Geschichte zu erfinden, die Fahrt aufnimmt und eine Eigendynamik entwickelt, mit der sie nicht gerechnet hat. Und dann geht alles ganz schnell. Wie Sara Mesa hier mit gesellschaftlichen Bildern spielt – ja, auch mit ihren Leserinnen und Lesern spielt – wie sie Distanz und Nähe und zwei Leben in schlichten Dialogen pulsieren lässt, das ist einfach großartig.
Wagenbach
Klappenbroschur: 144 Seiten, ca. € 18,-
DAS IST DRIN
AUTOR/IN
Biographie